Coppelius, Schock und Lahannya
Ein schwarzes Wochenende in Erfurt
27.11.2010 [db] Wenn es draußen kälter wird, ist die Zeit der Indoor-Konzerte. Die Clubs und Hallen brodeln im Winter. Manchmal weiß man nicht, wo man hingehen soll, so groß ist die Auswahl. Am vergangenen Wochenende nun hat sich alles wunderbar gefügt. Am Freitag begonnen mit den Herren von Coppelius und am Samstag fortgeführt mit Schock und Lahannya. Allesamt Perlen der Schwarzen Musikszene und ihr Eintrittsgeld allemal wert. Wenn das nur die Erfurter wüssten. Denn von ihnen sah man herzlich wenige auf den besagten Konzerten. Man kann es Spartenmusik nennen. Sounds, die nicht bei jedem ankommen. Kammer Core, Metal und Gothic Rock sind nicht jedermanns Geschmack. Doch Anhänger dieser Subgenres gibt es viele. Wo sind sie aber, wenn es darum geht, Bands live zu erleben?
Schon am Freitagabend sieht man deutlich wie wenig konzertant die Einwohner der thüringischen Landeshauptstadt sind. Eine wirklich grandiose Kapelle wie Coppelius spielt vor gerade mal 150 Besuchern im Club Centrum. Eines gleich vorweg: das trübt auf keinen Fall den Spaß am Konzert. Die Kammer-Core-Musiker sind eloquent wie eh und je. Mit ihrem dritten Album „Zinnober“ sind sie gerade auf Clubtour, die sie verständlicherweise „Konzertante Reisen zum Ruhme des Zinnober“ genannt haben. Zinnober-Tour 2010 kann ja jeder. Die Ausdrucksform der werten Herren hat Format. Auch wenn sie ein Schild hochhalten, auf dem geschrieben steht „Nicht Blitzen“. Oder wenn Klarinettist und Sänger Comte Caspar sich von einem Gast beleidigt fühlt und es charmant lautstark, auch ein wenig bockig, dem Butler Bastille mitteilt, was eher zur allgemeinen Erheiterung als der Beruhigung des Comte dient. Der Rest des Abends verschwimmt zu einer einzigartigen grandiosen coppelianischen Show. Synchrones Klarinettenschwingen, diabolisches Grinsen am Cello und ein Butler, der so viel mehr ist, als er zu sein scheint. Viele neue Stücke aus dem Album „Zinnober“ werden gespielt. Auch alte Songs. Über allem der etwas bedrohlich und doch faszinierende Klang des „Metal Wood“ – wie die Band es nennt, in Anlehnung an Heavy Metal. Da man nun aber der „Kammermusik“ frönt, stimmt Wood eher denn Metal.
Am Samstagsabend bietet sich mir dann im Club From Hell das gleiche Bild. Lahannya und Schock hatten sich angekündigt. Und einige waren dem Ruf gefolgt. Nun kann man es auch auf die Kälte und den einsetzenden Schneefall schieben, dass viele Gäste fernblieben. Doch selbst bei anderen Wetterlagen ist dieses Phänomen zu beobachten. Es wird viel gemeckert und gemosert, dass es in Erfurt kaum Konzerte gäbe. Es wird moniert, dass nichts geboten wird. Und dann bleiben sie alle in ihrer warmen Stube hocken oder fahren nach Jena und Ilmenau. Mehr als anbieten kann man es nicht. Mehr als gute Bands an Land ziehen geht nicht. Mehr als Liveerlebnisse versprechen und erfüllen – was wollen die Leute noch mehr? Industrial Rock „with a gothic twist“ – für Lahannya sind Erfurter Clubs nichts Neues. Sie spielte im vergangenen Jahr bereits mit Schock im Domizil. Dieses Mal sollte es das From Hell sein. Gemeinsam mit ihrem gut gelaunten Bassisten Lutz, der auch bei Umbra et Imago den Bass zupft und die Band nebenbei produziert, lockte sie das Publikum aus der Reserve. Bedankte sich für das doch recht zahlreiche Erscheinen, trotz des Wetters und spielte schon drei neue Songs, vom noch nicht fertiggestellten Album. So wie Schock, die Gothic Rocker aus Thüringen, die ihre Vorabsingle „Babylon“ im Gepäck hatten. Das zugehörige Album „Kosmos“ erscheint im kommenden Frühjahr. Vor zwei Jahren erschien der Longplayer „Halt Still“ noch im Eigenvertrieb, bei „Kosmos“ können die Jungs auf ein Label setzen. Überhaupt klingen und wirken die Thüringer wie das nächste große Ding. Über die Bühnenpräsenz von Frontmann Michael Schock habe ich schon einiges geschrieben. Aber man muss es immer wieder sagen: egal ob „Ware Fleisch“, „Babyblon“ oder „Von Dir“ – die Art und Weise, wie Michael seine Zeilen umsetzt, wie er sie lebt und performt, kann an niemandem spurlos vorbeigehen. Bei Schock ist es unmöglich, still stehen zu bleiben. Diese Band hat einen Frontmann, der den Titel Frontmann auch verdient. Warten wir auf „Kosmos“ im Frühjahr, der Teaser „Babylon“ verspricht einiges. Und dann gibt es die Band sicherlich wieder live zu sehen – vor mehr Publikum.
Die Konzerte von Coppelius, Schock und Lahannya waren leider, leider nicht ausverkauft. Doch alle Bands sind an diesem Wochenende Profis genug, um auch mit wenigen Fans ein gelungenes Konzert zustande zu bringen. Alle, die dabei waren, haben unbezahlbare Liveerlebnisse für sich verbuchen können.